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Ein Liebesbrief an den Frühling

Autorenbild: Frau BeerFrau Beer

Wisst ihr was ich besonders mag? Den Frühling.


Frühling, das ist wenn der Wind einem nur noch halbkalt um die von der Sonne geküsste Nase weht. Es fühlt sich kalt an, aber die Sonne wärmt die eisigen Tropfen die einem in den Augenwinkeln stehen, wenn der Wind sie seitlich trifft.

Wenn sich die ersten Spaziergänge in der höher stehenden Sonne anfühlen wie der Befreiungsschlag des eisigen Winters.

Wenn man sich nicht mehr in zig Kleiderschichten hüllt um das Haus für ein paar Schritte in der Natur zu verlassen.


Frühling, das ist der verstohlene Blick aus dem Fenster... und ich sehe, wie der Nachbar von schräg gegenüber mit seinem kleinen Sohn die holprige Schotterpiste die mal eine Zufahrtsstraße werden soll, entlangläuft. Er hat ihn an der Hand weil der Kleine erst vor ein paar Wochen laufen gelernt hat. Ich weiß genau, dass die beiden gerade auf dem Weg zum Spielplatz am Ende der Straße sind und ein beseeltes Lächeln huscht über meine Lippen. Fast kann ich einen Seufzer nicht unterdrücken. Der kleine Mann trägt noch seinen Schneeanzug und man kann die kleinen Hosenbeinchen förmlich durch das geschlossene Fenster rascheln hören…

Frühling, denke ich, und es kribbelt in meinem Bauch.


Frühling, das sind die ersten kleinen Sonnenstrahlen die vom Himmel lachen und die Natur zum Leben erwecken. Der Kirschbaum der Nachbarn beginnt die ersten Knospen zu bilden und schon in ein paar Tagen wird er in zartrosa Blüte stehen. Es gibt fast nichts schöneres. Noch bevor der Baum seine volle Pracht entfaltet hat, klettern die Frühblüher aus ihrem Winterversteck und die Hyazinthen im Vorgarten läuten die ersten wärmeren Stunden des Tages ein. Es folgen die Glockenblumen, die immer der größte Stolz meiner Großmutter waren und die wir nicht pflücken durften. Sie hat sie jedes Jahr nach der Blütezeit aus der Erde geholt, im Stall zum Trocknen aufgehängt in diesen krümeligen Netzen um sie dann im Herbst feinsäuberlich wieder einzupflanzen.


Manchmal in diesen Tagen sitze ich im Garten, mit einer warmen Decke um die Beine geschlungen, einem Stirnband um den Kopf und mit einer dicken Fleecejacke und schaue der Natur beim erwachen zu - genieße die ersten Tage im Garten und dann lausche ich dem Wind wie er in des Nachbars Tannen greift und dabei so ein schönes Rauschen erzeugt. Ich schließe die Augen und genieße den Klang. Höre, wie die ersten Vögel aus dem Süden zurückkehren und ihre Lieder anstimmen. Eine Amsel kam schon im letzten Jahr und hat ohrenbetäubend gesungen. Jeden Morgen zur selben Zeit.

Die kleinen Vögel, die umherflattern, zwitschern, ihre eigenen Lieder singen, tänzeln durch die Lüfte oder flüchten vor Nachbars Katzen. Weit in der Ferne kann man die Straße hören, aber so leise, dass sie schnell in den Hintergrund rückt wenn man sich nur auf die Tiere konzentriert. Die Enten fliegen schnatternd über mich hinweg und ich möchte mich fast ducken oder unter meiner Decke verstecken, weil ich Angst habe, dass mich ihr Unrat trifft. Dabei bringt das Glück, oder?


Frühling, denke ich, das stiftet auch in der Tierwelt Leidenschaft, Kribbeln und Freude.

Frühling, das ist die Jahreszeit in der ich das erste Mal die Sonnenbrille mehr als einmal am Tag tragen kann, weil die Sonne viel öfter scheint und ich morgens mit mir selbst diskutiere welches Modell denn heut besser passt - das älteste Modell von allen, aber wohl aufgrund der Pilotenfassung stets eines der Modelle das nicht aus der Mode kommt. Mein Großvater war immer sehr stolz auf seine Pilotenbrille. Ich erinnere mich gut an das fast schon rostige Accessoire das er stets trug, wenn er in seinem gepflegten Kleingarten auf seinem weißen Liegestuhl saß und den Wirtschaftsteil der Lokalzeitung las.


Ich sitze wieder auf der Terrasse und das Frühlingserwachen ist nicht aufzuhalten. Meine Ohren spitzen sich als ich Schritte auf dem Schotterweg höre. Der Nachbar bringt seinem Sohn gerade das Fahrradfahren bei. In gebückter Haltung läuft er hinter ihm: „Ja, und jetzt musst Du treten, immer treten.“, ermutigt er ihn und hält dabei den Sattel fest. Und man spürt den Stolz als er loslässt und der Kleine die ersten paar Meter ohne die stützende Hand seines Vaters auf dem Rad zurücklegt.

„Immer schön weiter trampeln!“ ruft er ihm hinterher. Aber der Kleine ist wie ein Sausewind und schon längst den Schotterweg zum Haus der Familie gesaust.

Unweigerlich muss ich lächeln.

Der Frühling, denke ich. Das ist wenn Kinder Radfahren lernen und die Straßen mit ihren Figürchen und ulkigen Zeichnungen mit Straßenmalkreide verschönern.


Wisst ihr was Frühling noch ist?

Der erste Duft von verkohlten Bratwürsten und schrammeligen Country-Songs aus dem Nachbargarten. Eine Mischung aus Nostalgie und Tradition, aber auch Gemeinsamkeit und Rausch. Man hört das Ploppen der Sektkorken noch drei Gärten weiter und das schrille Gelächter der ersten Prosecco-Lärchen, wie sie über ihre flachen Zäune hinweg - mit gebührend Abstand - auf ihr sorgloses Leben anstoßen und sich am Erwachen der Natur erfreuen.

„Ach Hilde, meine Liebe, der Winterurlaub auf Kuba hat Dir aber auch gut getan….!“, trällert die grauhaarige, rüstige alte Dame über ihre kahlen Rosenbüsche hinweg und nippt dabei am Proseccoglas.

„Du sagst es, Ilse, ich fühle mich wie frisch aufgezupft.“

Und wieder hallt ihr Gelächter über die Zäune. Hach, der Frühling.

Und während Hildegard und Ilse noch so über das Leben schwadronieren, steht Manfred am Grill und bruzelt Würstchen.


Ich bin dann bereit für noch mehr Frühling - und den Sommer. Für den nahezu täglichen Kohlegrillgeruch in der Luft, bei dem mir immer das Wasser im Mund zusammenläuft und ich mich gern selbst einladen möchte.

Für die lauen Sommernächte auf der Terrasse, mit einem leichten Schwips vom Weißwein. Für tiefgründige und lapidare Gespräche mit den Menschen, die ich lieb habe.

Für ein Pläuschchen am Gartenzaun, über anwachsende Zuchtrosen und Knospen am ersten Baum im Garten.


Ich bin bereit für den Sommer meines Lebens. Sowasvon bereit.

Und doch bin ich sicher, dass dieser Sommer wie kein anderer sein wird...





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